Vor
langer Zeit lebten die Menschen auf dieser Welt zufriedener und glücklicher
als heute. Jedem wurde damals bei der Geburt ein kleiner und warmer Sack
mit auf den Lebensweg gegeben. In diesem Sack befanden sich unzählige
warme Schmuser, die jeder seinen Mitmenschen verschenken konnte, wann es
ihm beliebte. Die Nachfrage nach diesen Schmusern war groß, denn
wer einen geschenkt bekam, fühlte sich am ganzen Körper wohlig
warm und liebkost. Wenn einer ausnahmsweise einmal zu wenig Schmuser geschenkt
bekam, lief er Gefahr, sich eine schlimme Krankheit einzuhandeln, die zu
Verschrumpelung, Verhärtung und gar zum Tode führen konnte.
Aber
zum Glück war es damals leicht, Schmuser zu bekommen. Immer, wenn
einem danach war, konnte man auf einen anderen zugehen und um einen Schmuser
bitten. Der andere holte selbstverständlich einen aus seinem Sack,
und sobald man sich diesen Schmuser zum Beispiel auf die Schulter gelegt
hatte, fühlte man sich wohl und bekam ein rundum gutes Gefühl.
Die Menschen erbaten oft Schmuser voneinander; und da sie auch freigiebig
verteilt wurden, war es kein Problem, genügend davon zu bekommen.
Alle Menschen fühlten sich die meiste Zeit wohl, glücklich und
liebgehabt, bis eines Tages eine Hexe darüber sehr böse wurde.
Sie hatte nämlich einen großen Vorrat an Tinkturen und Salben
für diejenigen, die tatsächlich einmal krank wurden, doch brauchte
kaum jemand ihre Mittel. Sie begann deshalb den Menschen einzureden, daß
ihnen die Schmuser bald ausgehen werden, wenn sie weiter so freigiebig
damit sind. Und die Menschen glaubten ihr seltsamerweise.
Sie
fingen an, über ihre Schmuser zu wachen und nicht mehr so großzügig
damit umzugehen. Viele beobachteten neidisch ihre Mitmenschen, wenn diese
anderen einmal einen Schmuser schenkten, wurden oft böse und machten
ihnen Vorwürfe. Diese wollten ja ihren Eltern, Kindern und Partnern
nicht wehtun und bemühten sich, anderen keine Schmuser mehr zukommen
zu lassen. Die Kinder lernten das schnell von ihren Eltern: Sie merkten,
daß es scheinbar falsch ist, seine Schmuser all denen zu verschenken,
die danach Lust hatten.
Obwohl
immer noch jeder in seinem Sack genügend Schmuser fand, holten die
Menschen immer seltener einen hervor. Die Folgen waren schrecklich: Immer
weniger Menschen erhielten die Schmuser, die sie brauchten;immer mehr fühlten
sich nicht mehr warm, glücklich und liebkost. Viele wurden krank und
einige starben gar an Schmusermangel. Die Hexe konnte jetzt viele Arzneien
verkaufen, merkte aber bald, daß sie gar nicht zu helfen schienen.
Natürlich wollte sie auch wieder nicht, daß die Menschen starben;
wer sollte denn dann ihre Mittelchen kaufen? Sie erfand also etwas Neues:
Kalte Fröstler. Sie verkaufte jedem einen Sack mit kalten Fröstlern.
Die Fröstler sahen genauso aus wie die Schmuser, nur gaben sie den
Menschen kein warmes und liebkosendes Gefühl, sondern ein kaltes,
fröstelndes. Aber sie ließen immerhin die Menschen nicht mehr
verschrumpeln und sterben.
Wenn
jetzt jemand einen warmen Schmuser haben wollte, konnten ihm die Leute,
die Angst um ihren Schmusevorrat hatten, statt dessen einen Fröstler
anbieten. Oft gingen zwei Menschen aufeinander zu in der Hoffnung, vom
anderen einen Schmuser zu bekommen, doch dann überlegte es sich der
eine oder andere nochmal, und am Ende gaben sie sich nur kalte Fröstler.
Zwar starben kaum noch Menschen an Schmusermangel, weil sie ihn einigermaßen
mit Fröstlern ausgleichen konnten, aber die meisten fühlten sich
nicht mehr wohl, liefen verbittert und vom Leben enttäuscht umher.
Schmuser
waren ungeheuer wertvoll geworden: Eltern ermahnten ihre Kinder, sich genau
zu überlegen, wem sie einen Schmuser geben; Paare wachten eifersüchtig
über den Schmuservorrat des anderen; Kinder neideten ihren Eltern
die Schmuser, die sich diese gegenseitig gaben. Früher waren oft viele
Menschen in Gruppen zusammengekommen, ohne sich darum zu kümmern,
wer wem Schmuser schenkte. Jetzt schlossen sich alle zu Paaren zusammen
und behielten mißtrauisch ihre Schmuser für sich. Wer versehentlich
oder weil er gerade Lust dazu hatte, einmal einem anderen einen Schmuser
gab, fühlte sich auch gleich danach schuldig, weil er wußte,
daß ihm sein Partner das übelnehmen würde. Und wer wieder
keinen freigiebigen Partner finden konnte, mußte sich Schmuser kaufen,
wenn er welche wollte,und für das Geld Überstunden machen. Einige
Leute wurden irgendwie beliebter als die anderen und bekamen eine Menge
Schmuser, ohne selber welche hergeben zu müssen. Sie verkauften dann
ihre Schmuser zu hohen Preisen. Ein paar ganz raffinierte Menschen hatten
eine Idee: Sie sammelten kalte Fröstler, die ja recht billig und in
Mengen zu haben waren und verkauften sie für viel Geld als warme Schmuser.
Diese scheinbar warmen und flauschigen Schmuser waren in Wirklichkeit nichts
weiter als Plastikschmuser oder Schmuserimitationen und schufen noch mehr
Probleme. Sie hinterließen nach ihrem Gebrauch das Gefühl, etwas
verpaßt zu haben, machten regelrecht süchtig danach, immer wieder
und immer mehr davon zu kaufen. Viele starben schließlich, weil sie
einfach zu viel Plastikschmuser verbraucht hatten. Über diese Süchtigen
regten sich zwar die "normalen" Menschen furchtbar auf, aber sie konnten
weder die Plastikschmuser aus der Welt schaffen noch das Bedürfnis
danach. Allzuoft passierte es, daß sich zwei Menschen trafen, um
warme Schmuser auszutauschen und ein gutes Gefühl zu bekommen, benützten
aber dafür Plastikschmuser. Nach den ersten Minuten oder Stunden spürten
sie dann, daß ihnen nur ein kaltes, fröstelndes und leeres Gefühl
geblieben war, das sie so schnell wie möglich wieder loswerden wollten.
Deshalb kauften sie schnell neue und gerieten in einen Kreislauf, aus dem
sie alleine niemals herausfinden konnten.
Überhaupt
gab es in dieser Zeit viel Verwirrung unter den Menschen. Keiner fand sich
mehr so zurecht, wie es früher gewesen war.Und alles nur, weil die
Hexe ihnen eingeredet hatte, es gäbe nicht genügend warme Schmuser!
Vor
kurzem kam nun eine Frau zu uns, die offensichtlich noch nichts von der
Hexe gehört zu haben scheint. Sie sorgt sich überhaupt nicht
um ihren Schmuservorrat und verteilt sie so freigiebig, wie niemand sonst,
sogar ohne darum gebeten worden zu sein. Man nennt sie die Hippiefrau.
Die
Erwachsenen waren anfangs sehr verärgert, gibt doch diese Frau den
Kindern die fixe Idee, es gäbe immer genügend Schmuser in ihren
Säcken. Die Kinder mögen diese Frau sehr und lernen langsam wieder,
daß es immer ausreichend Schmuser geben wird. Doch die Erwachsenen
sind schon so verhärtet und festgefahren in ihren Vorstellungen, daß
sie die Botschaft der Hippiefrau nicht begreifen. Jetzt wird sogar ein
Gesetz erlassen, das den verschwenderischen Gebrauch von Schmusern unter
Strafe stellt. Es soll die Kinder davor schützen, ihre Schmuser zu
vergeuden.
Zum
Glück kümmern sich nicht alle Kinder um dieses Gesetz, und wir
können hoffen, daß auch die Erwachsenen sich langsam wieder
an die Zeit erinnern, in der sich jeder wohl und liebgehabt fühlte,
weil es warme Schmuser in Hülle und Fülle gab.
Werden
wir endlich wieder damit beginnen, so viele Schmuser zu verschenken, wie
jeder braucht? Fangen wir doch heute damit an, sooft wie möglich in
unseren Schmusersack zu greifen!
THE END